Die höfische Tradition der Schwertleite

„Dir und den hundert anderen Knappen gab ich das Schwert, schenkte ihnen Rüstungen und viele, edle Rösser, alles für deinen hohen Ruhm. Giburg ließ euch viele kostbare Gewänder schneidern, sie hielt dich besser als ihr eigenes Kind. Wie herrlich war dein Schild geschmückt, der kostete fünfhundert Mark! Und wozu? In all der Pracht bist du nun tot.“
Aus: Willehalm und Arabel, Seite 32

Dieser Ausspruch Willehalms vor dem gefallenen jungen Ritter Vivianz zeigt uns nicht nur die Tragweite dieses Kampfes mit der damit verbundenen Verzweiflung des „Helden“ Willehalm. Sie erzählt auch von der alten höfischen Tradition der Schwertleite, die später meist vom Ritterschlag verdrängt wurde. Laut Wikipedia geht sie „auf ältere germanische Initiationsriten zurück, entwickelte sich aber im Hochmittelalter zur tatsächlichen Standeserhöhung.“
Entscheidend war, dass der junge Mann durch die Aushändigung der Waffen in den Kreis der Wehrfähigen und Volljährigen aufgenommen wurde, als vollwertiger, berittener Krieger also in den Ritterstand aufgenommen wurde. Die Ausführung war dabei regional unterschiedlich, später verband sich das Ritual häufig mit kirchlichen Weihehandlungen, etwa dem Schwertsegen oder der Ritterweihe - die Schwertleite scheint dabei jedoch nicht unbedingt eine zwingende Voraussetzung für die Erlangung der Ritterwürde gewesen zu sein.

Wie ging eine solche Schwertleite praktisch vor sich? In dem folgenden Wikipedia-Zitat wird meine oben genannte Textstelle recht anschaulich erklärt, auch der oben genannte Aspekt, dass die Schwertleite kein billiges Vergnügen war:

„Neben der Umgürtung mit dem Schwertgurt und dem Anlegen der Sporen finden sich oft auch Hinweise auf „Ritterschläge“ als Bestandteil der Zeremonie. Aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts ist folgender Spruch überliefert: zê gôtes und Marien êr, diesen slac und keinen mêr. Der Knappe erhielt also einen echten Schlag mit dem Schwert oder der flachen Hand, es sollte allerdings der letzte unerwiderte Hieb im Leben des neuen Ritters sein (siehe Ritterschlag). Möglicherweise geht dieser Schlag auch auf eine alte germanische Rechtshandlung zurück, die etwa im Sachsenspiegel überliefert ist. Der Nackenschlag bedeutete hier die Aufnahme in die Knechtschaft und schuf so eine Verbindung zwischen dem Herren und dem Knecht.
Wie erwähnt muss es allerdings große regionale und wohl auch zeitliche Unterschiede im Ablauf einer solchen Schwertleite gegeben haben. Neben der Einzelpromotion, die oft vom Vater oder Onkel des Knappen vorgenommen wurde, verbreitete sich zunehmend die Massenpromotion, es wurden also gleichzeitig mehrere Knappen oder Edelknechte zu Rittern gemacht. Dies scheint auch finanzielle Gründe gehabt zu haben, schon die Promotionsfeier war sehr teuer, hinzu kam natürlich die 'ritterliche Ausstattung'. Im Idealfall schloss man sich hier gerne der Schwertleite eines Hochadeligen an, so konnte man beträchtliche Kosten einsparen und unnötigen Aufwand vermeiden. Manchmal trugen die Neuritter hierbei einheitliche Kleidung und erhielten auch ihren Anteil an den zahlreichen, teilweise sehr kostbaren Promotionsgeschenken.
Zur Finanzierung solcher Schwertleiten wurde oft eine Sondersteuer von der Bevölkerung erhoben, als Ausgleich veranstaltete man aufwendige Volksfeste, Turniere und Buhurte. Solche Massenveranstaltungen fanden in der Regel in der Nähe größerer Städte statt, manchmal war der Hauptplatz der Mittelpunkt der Feier oder der Austragungsort.“

Bild: „Schwertleite“ von unbekannt - Abbildung aus Dr. Paul Knötel, Bildatlas der Deutschen Geschichte, Bielefeld und Leipzig, 1895. Lizenziert unter Bild-PD-alt über Wikipedia

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