Buchrezension: Wolfgang Frei. denn sie sind alle gotes handgetât. Ein historischer Roman.

Eine interessante und informative Fundgrube für alle Wolfram-Freunde, aber kein spannender historischer Roman

Wolfgang Freis Buch „denn sie sind alle gotes handgetât“ entdeckte ich zufällig in dem Museum Wolfram von Eschenbach. Das kleine aber feine Literaturmuseum steht in der Geburtsstadt des berühmten Parzival-Dichters, in Wolframs Eschenbach.

Als Autorin einer Nach- und Neuerzählung seines zweiten großen Epos „Willehalm“ interessierte mich das Buch auch aus persönlichen Gründen, versprach es doch, exakt in Wolframs Zeit einzutauchen, dessen Leben und Werk vorzustellen und damit gleichzeitig „sechzig Jahre Zeitgeschichte des Mittelalters“ abzubilden.   

Diesem Anspruch ist der Historiker und Schriftsteller Wolfgang Frei in seinem Buch grundsätzlich gerecht geworden. Der Leser erfährt, wie Wolfram zu einem bekannten Ritter und Gelehrten seiner Zeit wurde, wie sein harmonisches privates Leben in seiner Familie aussah und dass er sich dennoch eine - seiner Frau gegenüber - heimliche intensive außereheliche Liebschaft mit einer Gräfin leistete, die ihm offenbar nicht nur wenig Kopfzerbrechen machte, sondern ihm überdies nützlichen Stoff für seine Tagelieder und Epen lieferte.

Viel Wertvolles berichtet Frei auch über das Alltagsleben der Menschen, über die Hofhaltung, dem Leben auf einer Burg, über die dortigen Tischsitten, den Gebrauch der Waffen, die Bedeutung und den Umgang mit den Pferden, über die Falknerei und natürlich über die Schlüsselrolle der Klöster für die damalige Bildung und Literatur. Deutlich wird außerdem, wie sehr Wolframs wirtschaftliches und gesellschaftliches Wohlergehen von dessen Gönnern und Mäzenen wie dem Wertheimer Grafen Poppo II und vor allem dem Landgrafen Hermann I. von Thüringen abhing - und wie die historischen Machtkämpfe zwischen Königen, Kaisern und Päpsten immer auch das Leben der „kleinen Leute“ mitbestimmten. Angereichert werden Freis Erzählungen zusätzlich durch einige schöne Beispiele mittelhochdeutscher Verse, die teilweise auch von Kollegen wie Walther von der Vogelweide stammen.

Trotz des eigentlich erfüllten Anspruches, Wolframs Leben darzustellen, bleibt Freis als „historischer Roman“ gekennzeichnetes Werk dennoch seltsam leblos und trocken - und liest sich deshalb leider recht langweilig. Verantwortlich dafür ist m.E. die Überfülle an Informationen und der offensichtliche Hang des Autors, nicht zuviel frei Erfundenes hinzuzudichten. Hier ist dem Historiker Wolfgang Frei ganz offensichtlich „der Historiker durchgegangen“: Unmengen an historischen Fakten, Namen, Jahreszahlen und Nebenschauplätzen werden in die wörtlichen Reden gepackt, die sich als belehrende Monologe teilweise über mehrere Seiten ziehen. Leider entsteht dadurch der Eindruck, dass der „Roman“ nur Mittel zum Zweck ist, um die Vermittlung des historischen Stoffs jeweils an passender Stelle nett zu verpacken. Ich denke, hier hätte dem Autor eine Entscheidung entweder für eine eindeutige, historische Dokumentation oder für eine klassische Erzählung bzw. für einen echten, lebendigen Roman über Wolframs Leben (der sich auf die wesentlichen historischen Aspekte beschränkt) gut getan.

Bedauerlich sind außerdem ein paar auffällige Fehler, etwa wenn es im Klappentext und in dem Vorwort fälschlich „Wolfram von Eschenbauch“ heißt oder wenn es inhaltliche Unstimmigkeiten gibt wie die, dass die zentrale Figur des sarazenischen Großkönigs Terramer aus dem „Willehalm“ als Schwiegervater Arabels bezeichnet wird, obwohl er doch deren Vater (und der Vater einer anderen wichtigen Figur im „Willehalm“, dem Rennewart) ist - so wie es schade ist, dass dem "Willehalm" trotz dessen großer Bedeutung auch bei Frei nur eine Nebenrolle in dessen Gesamtwerk zugestanden wird.

Trotz dieser nicht ganz klaren Form und der kleinen Schönheitsfehler ist das Buch, das es nur noch gebraucht oder im Antiquariat zu kaufen gibt (der Greifenverlag exisiert nicht mehr) eine interessante und informative Fundgrube für all diejenigen, die Wolfram von Eschenbachs Leben nicht nur näher kennenlernen wollen, sondern dieses auch in einem historisch korrekten Rahmen verortet wissen wollen.        

 

 

Wolfgang Frei: denn sie sind alle gotes handgetât. Ein historischer Roman. Greifenverlag 2010

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